Schreiben warum

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Kindheitsgerüche. Feuchte Luft über den glänzenden Wegen. Ein Dunkel entspringt dem Wald, ein Licht fällt aus dem Wolkenweiß des tief bewegten Himmels. Ein Dunkel ist das Nichts hinter Allem, ein Irgendwas vor dem Beginn des Alls. Und das Licht schneidet die Wolken und der Wind gibt ihnen Form – und die Fantasie erschafft darin ein großes Land. Geburtstätte von Zaubergeschichten, verborgen für jedes andere Auge und zu viel für die Kinderzunge. Versuchendes Schreiben, suchendes. Streben aus dem sprachlosen Staunen.

Die erste Verliebtheit, die erste Reue. Beides findet Form im Sturm wie der zerissene Himmel über der vertrauten Stadt. Frühe Melancholie. Etwas zu früh die Nostalgie unter Regenwolkentagen. Im Sonnencremegeruch über dem Sommerasphalt. In der rätselhaften Klarheit der Winterwindes. Im erblühenden Hoffen auf Irgendwas in der Jahres Frühe. Im feucht-modrigen Hoffen auf Weiteres, während des Falls bunt beschriebener Blätter. Schlaflos die Nächte. Ja, Wolkenformen, unfassbar, herangeweht aus der noch jungen Vergangenheit. Die ersten Fragen im Angesicht ihrer Unendlichkeit: Warum, warum, warum? Und noch viel mehr: Warum nicht? Fragendes Schreiben ist Frühling und Winter zugleich.

Gruppierung am Rande der Stadt, Gruppe der Außenseiter. Dort wo der kühle Wind über die Ebene des Moores und in die hohen Wipfeln fährt, mit dem Schneegeruch der Berge; dort in Qualm und Trunkenheit einer wohnlichen Höhle: Wir feiern die Flucht in die Verlorenheit. Wenigstens nicht allein. Die Freiheit aber begegnet uns in der Kälte des einsamen Heimwegs. Wie dieser formlose Schmerz in Allem und Nichts. Du kannst atmen, du kannst ihm trotzen. Schreiben dann ist Trotz, wie ein Atemzug in eisiger Winterluft, wenn die Anderen Hochzeit feiern im warmen Zigarettendunst.

Platon und Dialoge an der Theke der geschlossenen Bar neben dem zeitvergessenen Kino unter dem niedrigen Gewölbe. Konglomeratsgestein – die Sockeln und Türrahmen der Jugendstadt. Konglomerat – biegsame Durchmischung mit sturen Elementen. Haltbar dadurch, was einzeln hinweg geschwemmt würde durch die Fluten der Jugendzeiten. Aber das Versteinerte stirbt keinen guten Tod. Nach der Rebellion folgt die Revolution. Wahres Schreiben ist Rache an all den falschen Worten ausgesprochener Lügen und Medizin den falschen Freunden.

Die Jahre, die in den Alltag führen, der ein Außnahmezustand bleibt. Tage des Alterns. Die Epoche der Krisen. Die Übersiedlung ins neue Leben. Noch nicht ganz. Und neu ist es auch nicht. Ins Virtuelle, ins Hineingleiten, ins Hineingeraten… Was führt dorthin? Was führt hinaus? Lebensmüdigkeit. Es schreibt sich dennoch weiter – das Leben, zu finden mit dem Schreibwerkzeug, in den Nachstunden so schwarz und mit wolkiger Dunkelhelle bedeckt wie das Bier, in der sich öffnenden Stammbar, im goldbraunen Lichte hunderter Flaschen voller Wasser des Lebens. Nächtliches Beisl-Schreiben ist die Kultur des Tiefgehens und die Kunst des Abstürzens.

Zwischen Arbeit und Kind. Kaffeearoma in den Momenten über steinernen Tischen. Schreiben in der Schnelle, im rennenden Atem, ins rauschende Blut hinein. Schreiben als Droge, Sucht, Abhängigkeit. Aromatisierte Momente der Freiheit der Gedanken, wie die übrige Zeit sie nicht kennt. Vergessen im Schreiben der Erinnerungen. Überlebensschreiben. Und vergessenes Schreiben über Politisches – ins Nichtige der Nichtigkeiten hinein. Details zählen, aber niemand kann sie zählen. Das Großeganze ist Wiederholung. Nur Details verlieren sich in den Zeiten. Der Kampf geht weiter. Auch ohne uns. Darin begegnet uns erneut die Freiheit. Wenn man will, dann ist das Wollen ein Müssen. Schreiben ist Widerstand und dann ein Loslassen.

Ja, ich bin es. In den letzten Tage meiner Menschheit. Wie lange noch? Ich finde den größten Schmerz in der größten Liebe. Ich schreibe mich ein in die Unwissenheit. Philosophie im Wollen. Leidenschaft in den geordneten Strukturen. Wolken wieder öffnen das Auge dem Licht. Und Licht führt ins Dunkel, das hinter allem liegt. Ich lerne zu sprechen. Handeln zum Trotze, im Trotze der Angst. Zuerst leben! Fortschreiben – so muss ich lernen zu enden. Mich fortschreiben. Schreiben und Werden.

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